Bußgeld auf französische Art

Heute – wir schreiben den 10. November 2016 – bekam ich mit der Post einen Scheck über € 180.- vom französischen Staat. Es war zwar kein „Bonus“ (ich bin ja auch kein Manager), auch kein Kulturpreis (schade eigentlich) – aber immerhin die Rückzahlung meiner entsprechenden Auslage auf einen Bußgeldbescheid. Der kam vor nunmehr anderthalb Jahren – am 01. Juni 2015. Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Straßburger Autobahn. Einer ziemlich kleinen Geschwindigkeitsüberschreitung.
Eigentlich pflege ich auf französischen Autobahnen 130 km/h mit Tempomat zu fahren. Irgend so ein blöder Rechthaber fuhr jedoch mit so ungefähr 129,7 km/h vor mir her. Ich überholte, wenig später überholte mich der Holzkopf mit großer Entschlossenheit, setzte sich aber erneut mit dieser knapp unter dem Limit liegenden Geschwindigkeit ebenso knapp vor meine Nase. Das lief noch ein weiteres Mal genau so ab: ich überholte und er überholte mich wieder. Ob er mich etwa provozieren wollte? Als ich nämlich einigermaßen genervt zum dritten Überholmanöver ansetzte, blitzte es neben der Autobahn – zack! So ein Pech.
Bald kam ein Bußgeldbescheid – ein dicker Brief, immerhin auf deutsch – in dem mir zur Last gelegt wurde, nach Abzug des »Toleranzwertes« 132 km/h statt 130 km/h gefahren zu sein. Auf der Rückseite wurde hübsch genau und etwas schwer verständlich erläutert, wie es sich mit den Toleranzwerten verhält. Zitat: »Bei einem fest installierten Gerät 5 km/h bis 100 km/h, 5 % der gemessenen Geschwindigkeit überschritten; bei einem mobilen Gerät 10 km/h bis 100 km/h, 10 % der gemessenen Geschwindigkeit überschritten«.
Ich argumentierte, daß demnach die beanstandeten 7 km/h von 139 km/h offenbar dem Toleranzwert für fest installierte Geräte entspräche, die Messung jedoch wohl unstrittig mit einem mobilen Gerät vorgenommen worden war. Nicht wahr? Ich hatte mich bemüht, in höflichen und möglichst diplomatischen Formulierungen darauf aufmerksam zu machen, daß man wohl seine eigenen Vorschriften nicht verstünde, nicht wahr?? Dies war so ungefähr das Äußerste, das ich an wohlerzogener Zurückhaltung aufbringen konnte.
Erfahrene Straßenverkehrsteilnehmer werden sich ahnungsvoll erinnern, wie es hier normalerweise weitergeht: wenn man in Frankreich einer Ordnungswidrigkeit bezichtigt wird, gegen die man Widerspruch einlegen möchte, muß man den Bußgeldbescheid jedenfalls erst einmal bezahlen. Weil ich das aber zunächst verweigert hatte, begann die Korrespondenz mit einer Ablehnung meines Widerspruchs. Zitat: »Grund der Ablehnung: keine Konsignation«. Den Ausdruck kannte ich nicht und mußte im Internet entsprechend recherchieren – es ist, wie erwartet, eine Art Auslage, die entweder abgerufen oder zurückgesandt wird. Zusätzlich mußte ich ein Bestätigungsformular per reichlich teurem Einschreiben mit Rückschein an eine zentrale französische Dienststelle senden. Auf eigene Kosten, versteht sich.
Mit Bußgeldforderungen und ganz besonders mit eventuellen Mahngebühren ist man nicht zimperlich: die € 45.- für meine Geschwindigkeitsüberschreitung von 2 km/h auf der Autobahn wuchsen im Verlauf der Auseinandersetzung um die »Konsignation« nach zweieinhalb Monaten bereits auf eine Forderung von € 180.- an. Daß nicht ich, sondern das französische Amt den weitaus größten Teil dieser Zeit vertrödelt hat, wurde selbstverständlich nicht berücksichtigt. Ein Freund riet mir dringend, das trotzdem zu bezahlen, weil die Forderungen andernfalls in drastischer Weise noch wesentlich höher ansteigen würden. Es gäbe in Frankreich auf Polizeiparkplätzen allerhand LKWs, die auf Grund von Forderungen, die in die Tausende gingen, quasi konfisziert seien. Spediteure könnten das mitunter nicht mehr bezahlen usw. Also überwies ich diese blöde 180-Euro-Konsignation und schickte das Einschreiben hinterher (habe schon verdrängt, wie hoch das Porto war; ich glaube € 10.- oder sowas).
Meine Widerspruchserklärung, so hoffte ich, sollte nunmehr zu Kenntnisnahme und weiterer Bearbeitung akzeptiert werden. Eben darin beschied mich in der Tat diverse Wochen später ein weiteres Schreiben – der Widerspruch sei jedoch zunächst an eine andere Dienststelle übergeben worden. Optimistisch konnte mich das nun gerade nicht mehr stimmen.
Um so überraschter war ich, daß ich heute nach, wie gesagt, gut anderthalb Jahren meine »Konsignation« zurückbekam. Ohne weiteren Kommentar. Hätten´s ja auch mal zugeben können.
Na ja gut, also trotzdem – vive la France!

Nachtrag vom 27.11.16: deutsche Banken nehmen für einen solchen Scheck eine pauschale Bearbeitungsgebühr von € 20.-
Eine Überweisung – ach ja, wir sind ja EU-Nachbarn in Europa! – hätte garnichts gekostet.
Damit nicht genug: um den Scheck abzugeben, entschied ich, unter anderem noch eben mal schnell bei meiner Bank vorbeizufahren. War ja eh gerade in der Nähe. Pustekuchen – ich stand am neuerdings einzig übriggebliebenen Bankschalter erstmal gute 10 Minuten in einer Schlange. Währenddessen wurden draußen, diesmal seitens der deutschen Polizei, weitere € 15.- fällig – für das Parken ohne Parkschein …
Nachtrag vom 15.08.18: vor kurzem kam ein weiteres Schreiben, in dem man mir eine neue, diesmal vollends unverständliche Rechnung aufgestellt hatte und anbot, € 81.- (von meinen ausgelegten € 180.-) zu überweisen, wenn ich meine Kontoverbindung nennen würde. Wie man diesen merkwürdigen (Teil-)Betrag errechnet hatte, wurde nicht erläutert. Aber immerhin – sind das nicht großzügige Schlafmützen? Oder verstehe ich da irgendetwas nicht richtig? Nachdem ich nicht mehr ganz so sprachlos war, habe ich zurückgeschrieben, daß ich meine Auslagen für den Bußgeldbescheid von vor gut drei Jahren bereits vor zwei Jahren zurückbekommen habe und die Sache für erledigt gehalten habe. Man könne mir natürlich gern trotzdem € 81.- auf die folgende Kontoverbindung überweisen undsoweiter bla und „Sincèrement vôtre …“. Wenn ich die richtig einschätze, werden sie das vielleicht sogar tun. In wiederum ein paar Jahren. Oder wenigstens einen Teil. Ich bin gespannt.
(Beitrag zuletzt überarbeitet am 27.01.2021)

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1 Kommentar

  1. Lieber Johannes, ich bin ja nun mal kein Autofahrer. Aus wohlbekannten Gründen. Die Geschichte finde ich trotzdem knatterlustig. Und die Moral? Leg bei der Französischen Polizei ruhig ein Sparguthaben an. Irgendwann, wenn du’s nicht erwartest, kommt der Zaster wieder

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