Souvenir aus der VR Polen

basssteg-aus-plDiesen ungewöhnlichen Kontrabaß-Stegrohling habe ich 1988 in einem Musikalienladen in Bydgoszcz/Polen gekauft. Fachleute werden erkennen, daß er aus geflammtem Ahorn besteht.
Ahorn als Holzwahl ist zwar überall Standard, aber in dem geflammten Wuchs wie hier sehr unüblich – bei einem Steg kann man sie wohl als ziemlich unsinnig einschätzen, da die Faserrichtung auf die Dauer kaum ausreichenden statischen Widerstand gegen den Druck der Saiten ergibt. Der Steg wäre sehr wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit verzogen. Solches Holz ist somit für einen Steg entschieden ungeeignet, jedoch sehr gefragt als Tonholz für die Zargen, Böden und Hälse von Streichinstrumenten  (für die Decken braucht es Fichte).
Vielleicht war damals in der Volksrepublik Polen einfach zufällig irgendwo ein Kontingent „Ahornholz, geflammt“ vorhanden gewesen – vielleicht ja aus dem sozialistischen Bruderland Ungarn, wo es häufig vorkommt. Vielleicht gab es ja das Holz als Gegenleistung für die parteimäßig organisierte tätige Hilfe  von polnischen Studentenkadern bei der ungarischen Apfelernte. Ja, so was (wie das mit der  Erntehilfe) gab es jedenfalls – das weiß ich von meiner Ex-Frau…
Es schien mir freilich auch damals schon so, als sei da möglicherweise eine Position „Stegrohlinge für Streichinstrumente“ abgearbeitet worden, die auf irgendeinem realsozialistischen Plan herumgestanden war. Daß die Verwendung dieser Hölzer für Stegrohlinge ein Unsinn und eine Verschwendung ist, müßte seitens des zuständigen Funktionärs dann wohl ignoriert worden sein. Das würde eigentlich gut in die Geschichte passen, denn diese Art Mischung aus Ignoranz, Schlamperei und Rücksichtslosigkeit gab es im System aller sozialistischer Länder damals zuhauf – mit allgegenwärtiger Korruption sozusagen als Basis der realsozialistischen Wirtschaft (zumindest Rußland hat sich bis heute nicht davon erholt) – und deshalb kann ich mir unschwer vorstellen, daß es im damaligen Polen vielleicht tatsächlich so gelaufen war.
Die schöne Flammung entsteht übrigens durch wellenförmige Wuchsrichtung der Holzfasern (nicht etwa dadurch, daß man Holz irgendwie über eine offene Flamme hält, wie viele Holzköpfe tatsächlich glauben). Die Flammung ist zwar nicht nur bei Ahorn so möglich, aber die federnd-elastische Beschaffenheit des Ahorns eignet sich im Gegensatz zu anderen Harthölzern wie der eher spröden und steifen Eiche besonders gut für die Instrumente mit Saitenschwingungen.
Seither fristet der  Stegrohling – immerhin unbeschädigt – ein stilles, zurückgezogenes Dasein als Dekorationsstück in meinem Arbeitszimmer.

(Bild anklicken zum Vergrößern.)

Hallo -
schön, daß Du hier bist!

Trag Deine Mailadresse ein, um Basswort-Newsletter zu bekommen:

Ich sende keinen Spam! Erfahre mehr in meiner Datenschutzerklärung.

Beteilige dich an der Unterhaltung

2 Kommentare

  1. Vorab entschuldige ich mich für die Länge meines Kommentars, der etwas abschweift, wie auch der Verfasser hier vom Hauptthema : “ Vom geflammten Ahorn zur sicherlich nicht unberechtigten Kritik an den kommunistisch, sozialistischen, östlichen Ländern des vergangenen Jahrhunderts … ist ein ungewöhnlicher aber interessanter Sprung.“ Ich erlaube mir daran zu zweifeln, ob es tatsächlich wahr ist, daß Russland sich von der damaligen Ignoranz, Schlamperei, Rücksichtslosigkeit und Korruption einer realsozialistischen Wirtschaft bis heute nicht erholt hat. Ich sehe (im Gegensatz zu vielen Demonstranten der heutigen östlichen Staaten), daß Russland sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm erholt hat wirtschaftlich, es sehr vielen Menschen sehr viel besser geht, (wie auch bei uns, lange nicht allen) was auf die Öffnung der Märkte und Handelsbeziehungen Russlands gegenüber allen Ländern der Welt zurückzuführen ist, während in den westlichen Ländern eher eine Stagnation oder sogar ein Rückschritt bemerkbar ist. Auch ist hinsichtlich von Ignoranz, Schlamperei, Rücksichtslosigkeit und Korruption bei uns eher kaum ein Unterschied zum Osten erkennbar, selbst hheute noch nicht. Immerhin leben wir in einer echten Demokratie, auf die wir uns auch gehörig viel einbilden, obwohl uns gerade in der jetzigen Coronapandemie schnell vor Augen geführt wurde, wie schnell auch in der Demokratie mit den Grundrechten Schluß ist nicht Sabbat ist, denn gearbeitet wurde ja fast ganz normal in vielen Bereichen. Wir leben zwar in einer echten Demokratie, verhalten uns zur Natur, den Tieren und uns selbst ausbeuterisch und ausschlachtend und somit kein Stück besser als die im Osten. Wäre es nicht ratsam, endlich weltweit umzudenken ? und den zerstörerischen und selbstzerstörerischen Pfad zu verlassen, auf dem wir uns alle befinden ? Wir hier in Deutschland sollten mit gutem Beispiel vorangehen und den Weg echter Nachhaltigkeit, Rücksicht und freundlichem Umgang mit uns, unseren Mitmenschen, der Natur und den Tieren endlich beschreiten. Es ist gar nicht so schwer, selbst damit anzufangen. „Respekt“(vorvorheriger Titel hier) ist dazu natürlich ein zwingender, fundamentaler Baustein, aber auch eine echte, umfängliche, selbst auferlegte Bescheidenheit ist notwendig ! … ist Respekt möglich gegenüber bescheiden lebenden Menschen ?) In die bessere Welt, die wir anstreben sollten, gehört auch ein bedingungsloses Grundeinkommen für Alle. Die Abschaffung der Zeitumstellung fällt mir noch ein; es gibt aber sicher noch viele Dinge, die wir auf den Weg bringen müssen, um wirklich besser zu sein, als die da im Osten, in Russland !

    1. Hallo Bernhard –

      danke für den engagierten Kommentar!

      Gern stimme Dir zu, was einige Deiner Feststellungen betrifft.
      Aber zunächst: Mein Text stellt vor allem ein „Sinnieren“ dar, garniert mit kleinen Dekorationen aus meinem Fundus an Lebenserfahrungen. Also etwas Anderes als etwa eine wissenschaftlich-historisch vertretbare Analyse und ich denke, eine solche Absicht habe ich darin auch nicht erkennen lassen. Aber sinnierend von der Beschaffenheit eines (noch) in der realsozialistischen Periode Polens hergestellten Gebrauchsgegenstandes auf exakt diesbezügliche politische und wirtschaftliche Themen zu kommen, liegt durchaus nahe, finde ich – zumal ich mich quasi mit Beidem nun einmal recht gut auskenne. Ich sehe mein „Sinnieren“ also eher als eine kreative Ausgestaltung eines zu Anfang vorgestellten Themas, als ein „Abschweifen“.

      Damit möchte ich es hier einmal bewenden lassen.
      Ich denke, der für die Öffentlichkeit interessante Umfang dieses „Blog-Posts“ war bereits erreicht und sollte nun nicht weiter überschritten werden.
      Meine etwas vollständigere Antwort sende ich daher lieber per Email.

      Alles Gute und viele Grüße – Johannes

Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar zu j. schaedlich Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll down to content