Den folgenden, spontan geschriebenen Beschwerdebrief an den DLF – eigentlich mein Lieblingssender – füge ich ebenso spontan nun auch hier ein. Daß es dabei um eine Jazzmusik-Sendung geht, die außer mir (heute um kurz nach ein Uhr morgens auf dem Heimweg von einem Gig) wenige Leute gehört haben dürften, ist nicht entscheidend – das ist ja in dem Genre eh immer so. Entscheidend finde ich, daß man den viel zu hohen Schrott-Anteil in den Medien – auch im DLF – nicht einfach so hinnehmen sollte. Das habe ich hier versucht.
Nebenbei gesagt ist die Diskussion darüber ja schon ziemlich uralt, ob (sammelbegrifflich) „Medienredakteure“ senden, was „das Volk“ will oder umgekehrt; also: ob „das Volk“ eben das will, was ihm in den/über die Medien vorgesetzt wird. Ich meine: Letzteres – und halte Redakteure, Intendanten usw. (insbesondere von sog. Privatsendern), die Ersteres behaupten, für unaufrichtig, im Großen und Ganzen also für opportunistisch, möglicherweise sogar korrupt.
Na gut – ein paar haben offenbar vor allem verdammt nochmal keinen Geschmack. Schlimm genug. Ich nehme mir bei dieser Gelegenheit vor, diese (ich nenne es für mich so) „Böcke-zu-Gärtner-Psychologie“ nochmal näher zu ergründen.
Nun ja, hier ist also mein Brief (per Mail an den Sender):
Sehr geehrte Damen und Herren,
hier geht es mir um eine Kritik zur Sendung „Midnight Blue“ im Deutschlandfunk-Nacht-Radio (heute ab 01:05 Uhr) mit Herrn Karsten Mützelfeldt.
Ich möchte mich mit Nachdruck über die Qualität der vorgestellten Produktion beschweren. Es ist enttäuschend, wahrnehmen zu müssen, wie ein Teil der geringen Sendezeit, die in den Medien für Jazz aufgewendet wird, mit solchem musikalischen Sondermüll vergeudet wird.
Als Profi-Jazzmusiker kenne ich einige Vertreter der in der Sendung vorgestellten Spezies von unqualifizierten Wichtigtuern afroamerikanischer Herkunft, die versuchen, sich als Musiker – oft gerade mit dieser vor sich hergetragenen, furchtbar pathetischen Pseudo-Gospel-Attitüde – aufzuspielen und leider immer wieder Europäer finden, die darauf hereinfallen. Das ist dem zitierten österreichischen Bio-Bauern offenbar ebenso ergangen wie Ihrem Moderator (Redakteur?) Herrn Mützelfeld. Daß der besagte Bio-Bauer ein Label gründet und mit solchen Produktionen musikalische Umweltverschmutzung betreibt, ist insofern fast schon tragikomisch. Weniger komisch ist, daß der DLF mit der Sendung ebenfalls so etwas verbricht. Die Produktion, d. h. die Musik ist so offenkundig und eindeutig hundsmiserabel – einen geringeren Ausdruck kann ich hier nicht verwenden – daß ich wirklich entsetzt bin. Mit dem Bemühen, nicht zu übertreiben, kann ich nur sagen, daß ich vorhin beim ersten Ton dieses selbsternannten Sängers geradezu erschrocken bin. Beim folgenden ziel- und richtungslosen Geschrei und Geheul habe ich das Radio leise gestellt, um die Sendung ohne größere Verletzungen noch etwas weiter verfolgen zu können. Es hat mich nicht überrascht, daß der vorgestellte Vokalist auch beim Sprechen (seiner Moderation) nur Unsinn hervorbrachte: weder ist „Morning“ eine der berühmtesten „recordings of all times“ noch hat er den Komponisten (C. Fisher) genannt, wenn ich das richtig erinnere. Also zwei grobe Faux Pas in einem Satz. Die folgende Saxophon-Attacke mit dem Ton eines für Thanksgiving sterbenden Truthahns konnte ich nicht mehr ertragen und mußte abschalten. Das war wirklich niederschmetternd – in aller Subjektivität muß ich fragen, wie man das nicht bemerken kann?
Ich kam von einem Auftritt und leider hat die Sendung meine gute Stimmung nicht unerheblich in Mitleidenschaft gezogen. Schade. Das habe ich zum Anlaß genommen, mich hier zu beschweren.
Man braucht Unterscheidungsvermögen, wenn man Gold und Schrott auseinanderhalten will. Das ist hier in besonders garstiger Weise mißlungen. Den gediegenen, geläufigen Umgang mit den, sagen wir, zu Qualitätsdifferenzierung im Allgemeinen und Besonderen benötigten Kriterien nennt man wohl Geschmack. Den allerdings erwarte ich von einer Jazz-Sendung und den dafür Verantwortlichen! Bitte versuchen Sie, solche Sendungen in Zukunft mit einem Minimum an Geschmackssicherheit zu gestalten. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Mit freundlichen Grüßen –
Johannes Schaedlich „
Und schon ist es drei Uhr …